Et mutt
Regnerisch, langweilig, überfällig. Ich gönn mir ein Kräuterbad – gegen Gelenke.
Am Wochenende ist ein Dreier-Treffen von ehemaligen Arbeitskollegen vereinbart. Der Einladende ist der Jüngste und noch aktiv. ‚Meiner Einer‘ ist der ältere, der dritte im Bunde, der Alte ist jenseits von 80 - wir waren früher alle zusammen werktätig. Nun erwarte ich als relativer Neu-Rentner schon die obligatorische Frage:
Na, wie schmeckt der Ruhestand!
Wie bei vielen anderen Themen im Leben fällt mir auch hier eine Pauschalaussage schwer. Was werde ich also sagen? Wenn ich recht überlege, ist die Antwort bei mir tagesformabhängig. So selbstverständlich wie der seligste Wunsch der meisten Berufstätigen nach diesem ‚Endlos-Urlaub‘, ist auch die Spannbreite der Empfindungen, je nach Charakter und Typ. Die ewig gut gelaunten Lebensbejaher, werden diese Zeit ausschließlich positiv erleben, wie auch zuvor die Zeit des Schaffens. Die Zweifler und Grantler werden im Ruhestand auch in ihrem Gusto weiterleben.
Ich als Pessimist und Wankelmütler schwanke eben zwischen Himmel und Erde. Die körperlichen Einschränkungen, seelischen Nöte und auch finanziellen Grenzen können schnell einen ganzen Tag versauen. Andererseits ist mir die neue Freiheit, das schöne Zuhause, die relative Sicherheit und das Leben als Europäer viel wert und auch bewusst.
Dennoch ist dies zu theoretisch und muss gedanklich immer wieder aufgefrischt werden. Vielmehr sehe ich ‚die Zeit‘ pauschal als bestimmendes Phänomen. Wie die Jahre der Jugend, die Jahrzehnte des Berufslebens und Erwachsenseins, sowie Phasen von Krieg, Hunger oder Krankheit - immer spielt die Zeit die Rolle des Nivellierers.
Im Nachhinein war ja früher angeblich nicht alles schlecht, nicht mal im Krieg. Und wenn es der Zusammenhalt der Bevölkerung und die Hilfsbereitschaft von Notgemeinschaften war, gemeinsames Leid ist halbes Leid, irgendetwas Gutes findet man auch im schlimmsten Vergangenen. So ist jeder Lebensabschnitt, auch die Rente, wenig geeignet für dauerhafte Euphorie. Vielmehr werden Alltag und Gewohnheit, eben vom Lauf der Zeit, relativiert. Die Zeit kappt alle seelischen, mentalen und sonstigen Ausreißer nach oben und nach unten.
An alle Elektro-Ing’s: die Zeit wirkt wie ein Glättungs-Kondensator.
Drum die Antwort kurz und bündig: et mutt.