Endlichkeit

Die Gelenke schreien nach Linderung. Endlich, nach 15 Jahren habe ich begonnen im Schuppen Ordnung zu schaffen. Zu Beginn dieser Zeit wäre mir dies sicher leichter gefallen. Inzwischen kneift und zwickt es nach etwas körper­licher Arbeit in allen Körper­teilen ordentlich.

Die heißen Ingredienzien und Tenside das Voll­bades tun gut. Ich überlege, wie lange eine mehr­köpfige Familie mit zwei Ziegen in irgend­einem Trocken­gebiet dieser Welt von den 100 Liter Wasser, in denen ich mich gerade suhle, profitieren könnte? Ich verwerfe den Ge­danken, man kann hier kein Wasser sparen und am Ende der Welt sprudelt ein neuer Brunnen. Ruhe.

Die bleier­nen Ge­danken kommen. Wie schon seit ein paar Wochen, kann ich mich nicht gegen sie erwehren. Ein guter Be­kann­ter (Freund wäre zu hoch gegriffen) den wir seit vielen, vielen Jahren kennen, Ehemann, Vater, Kumpel, zwei Kinder, Hund, schönes Haus liebevoll gepflegt, Garten­teich mit Son­nen­terras­se stolz selbst gebaut, beliebt und kompetent im be­ruf­li­chen Umfeld, noch kein Rentner - hat einen wahr­scheinlich in-operablen Ge­hirn­tu­mor. Die Prog­nosen sind schlecht. Was geht in ihm vor, wenn mich das Thema schon beschäftigt, als Außen­stehender. Ist es meine Empathie? Oder ist es nur die angst­erfüllte Erkenntnis, dass ich selbst auch nicht vor so einem Schicksal gefeit bin. Niemand ist das. Klar ist der Gedanke der End­lichkeit im Bewusst­sein verankert. Immer wieder wurde beim Bier darüber philoso­phiert, doch live und in Farbe? Das ist so unmittelbar.

Die natürliche Häufung solcher finalen Gedanken steigt sicher mit dem Le­bens­al­ter. Vor dem 50. Le­bens­jahr wohl nur bei ähn­lichen Tragödien, ansonsten wie gesagt in Bier­seligkeit. Nach 60 schon eher mal aus heiterem oder besser gesagt, be­decktem Himmel. Der sehr plastische Vergleich mit dem Maß­band wird öfters 'hoch­geladen'. Real habe ich das noch nicht aus­probiert, es reicht das Gedanken­modell.

Wieviel Zentimeter sind es noch bis zum Ende? - Rein statistisch wohl gemerkt. Ein paar Zentimeter? Ein Zentimeter entspricht einem Jahr. Ein Millimeter etwas mehr als einem Monat, ein Zehntel Millimeter 3-Komma-so­und­so­viel-Tage und zirka 1/36 Millimeter ent­spricht einem Tag! Im Alter arbeitet mal sinn­voller­weise mit der Mikro­meter-Schraube.