Nachbarschaft
Ich glaube zusammen mit der Verwandt-schaft, bietet die Nachbar-schaft ein zusätzliches Feld für Unbill und persönlichen Zwist im Zusammenleben.
In beiden Fällen kann man nicht ohne gewaltige Umstände und rechtliche Bemühungen die Probleme in den Griff kriegen. Meist geht es gar nicht.
Also bedeutet das: damit leben oder sterben. Letzteres ist ein Radikalmittel und das stellen wir hier einmal gedanklich zurück. Natürlich sei auch die theoretische Möglichkeit von Harmonie und Einigkeit nicht vergessen. Außer in langweiligen, soziologischen Studien für eine Bachelorarbeit oder kitschigen Pilcher-Filmen gibt es zu diesen exotischen Fällen nichts Interessantes zu berichten. Harmonie eben. So widmen wir uns doch mal dem Rest und lassen den klassischen Erbstreit oder Brudermord auch mal weg. Sprich: Mir geht es hauptsächlich um die Fremden hinterm Zaun.
Jedermanns Traum, ein frei stehendes Haus, hat leider bei rechteckiger Grundstücksform vier Begrenzungen. Für die nach unten und oben ist sehr schnell unser Vater Staat zuständig, Thema Bodenschätze oder Überflugrechte. So genügen für Streitereien die erwähnten vier Seiten. Wobei in der Regel eine Seite zur Straße zeigt, zur Öffentlichkeit. Auch da gibt es Möglichkeiten genug Ärger einzuheimsen. Über Kehr- und Streupflicht, bis hin zu nachträglich erhobenen Erschließungskosten ist da alles drin. Und wird von irgendwem die eigene Einfahrt zugeparkt, kann man nicht die GSG9 anfordern - das ist nur ein Gerücht. Es bleiben also noch drei weitere Seiten mit potentiellen Unmenschen.
Die gängigen Fälle über Streitereien sind sittsam bekannt: Grenzbebauung; Wegerecht; Laub vom 100jährigen Nachbarbaum, der lange vor den Protagonisten da war; Unkraut stoppt nicht am Maschendraht; Knallerbsenstrauch.
Einen besonderen Dank an dieser Stelle gilt unseren Schiedsleuten. Wer sich das Amt antut, alle Achtung. Dort werden die Nichtigkeiten zu einer Einigung im eigenen Interesse verhandelt. Klappt nicht immer.
Was ich bisher nicht erwähnt habe sind Geräusche. Ein Sonderthema, dem ich hier die nächsten Zeilen widmen möchte - dem Ohrenterror. Es ist ein Fehlglaube, ein paar Meter Wind ums Haus, eine Kirschlorbeerhecke auf der Grenze und man ist mit sich allein. Weit gefehlt - oder nah. Wie man's nimmt. Jedenfalls sind alle Geräusche die man selbst erzeugt oder andere von sich geben, genauso präsent, als gäbe es keine Hecke. Überrascht? Hatten sie gedacht: aus dem Auge, aus dem Ohr?
Nun ja, das lebensfrohe Geschrei von Kindern als Sonderfall ist UN-Grundrecht oder UNESCO-Weltkulturerbe oder so. Das einprogrammierte ständige Quietschen bei Kontakt mit Wasser, beim Versteckspielen oder Sackhüpfen ist eine Naturkonstante. Da darf man nur innerlich meckern. Wenn die Eltern aber zur Mittagszeit und am Sonntag den Blagen nicht schon früh die Anwesenheit und Lebensberechtigung von Mitmenschen nahe bringen, wen wundert spätere Rücksichtslosigkeit gegenüber Jedermann. Aber nicht mosern, Faust in der Tasche machen, bis die Knöchel weiß sind.
Aber genau betrachtet geht der Groll wiederum eher in Richtung Erwachsene und ist somit moralisch zulässig. Die allgegenwärtigen Hundefreunde gestehen ihren vierbeinigen Gefährten nahezu die gleichen Rechte zu wie den Kindern und liegen damit leider falsch. Jetzt sind wir grundsätzlich in Europa tierlieb erzogen und haben nur bereits tote Tiere auf dem Teller. Die Phantasie aber, wie man den elenden Kläffer um die Ecke bringen könnte, reift doch nach und nach. Durch das weitgehende Verbot von Tierversuchen gibt es auch keine Hundefänger mehr, also was tun? Am besten ist noch, sich mit dem Tier anfreunden: das ist aber ein Lieber, wie heißt der denn?
Schon ist das Bellen um Mitternacht vom ,Schicko' nur halb so schlimm. Andere tierische Kandidaten sind z.B. Hühner, besser gesagt deren Macho. In unmittelbarer, auch noch in mittelbarer Nähe so eines zweibeinigen Angebers, kann man morgens gegen halb fünf verzweifeln. 'Was soll das!', würde Herbert Grönemeyer zurück brüllen. Also sind sie froh, nicht einseitig an einem Hühnerhof zu wohnen. Frische Eier hin oder her.
Jetzt komme ich zum Kern dieses kleinen Artikels. Zwei unserer drei Nachbarn sind gute Freunde oder Bekannte. Da lassen wir Gnade vor Recht ergehen bzw. halten uns gelegentlich bei Einladungen für eventuelles Ungemach der letzten Wochen schadlos. Der Dritte im Bunde hat sich wie eingangs geschildert seit Jahren hinter Hecken verschanzt, ist aber inzwischen von Natur aus greisenhaft verstummt.
Unser Problemchen, schlimmer würde ich es nicht bezeichnen, ist ein übernächster Nachbar zur Seite. Im besonderen die Kröten in seinem Teich. Zuvor hat der Mensch zwei Sommer lang jede freie Minute seinen Garten auf links gedreht, gemauert, gebaut, gepflastert und geteicht, oder wie das heißt. Nun hat sich das wässrige Refugium herumgesprochen oder ist die Froschpopulation gezielt eingemeindet worden, man weiß es nicht genau. Jedenfalls schreien nun gefühlte hundert Kröten um die Wette. Wehe einer fängt an - genau um die Zeit des Hahnenschreis. Gratulation.
Aber was kann man gegen den übernächsten Nachbar unternehmen? Fällt nicht so recht unter die üblichen Lattenzaunprobleme. Gibt es eigentlich ein 'Über-Nachbarschaftsrecht?' Als kleines Gedankenmodell nach zwei bis drei Kellerbier bei unseren Freunden und Mitbetroffenen nebenan ist als Lösungsansatz herausgekommen:
Wir stellen eine Nisthilfe für Störche auf unser Dach. Wollen doch mal sehen, wer den längeren Atem hat.