Die große Scham
Ersehnter Regen ist gleichmäßig und sanft übers Land gekommen. Kein Hagel, Starkregen etc., das wünscht sich ja auch niemand. Etwas kühler ist es, nicht mehr so hochsommerlich. Draußen alles satt grün, aber auch naß.
Was kann man also tun?
Gelegenheit zum Scham-Baden.
Seit 'Friday-for-future' in aller Munde ist, sind einige Errungenschaften der hochmodernen Zivilisation zum Schämen verurteilt.
Der Scham-SUV vor der Grundschule, das Scham-Fliegen nach Madrid am Wochenende, die Scham-Kreuzfahrt mit Schwerölantrieb.
Das ist ansteckend. Vielleicht sogar wohltuend ansteckend. Denn den Anstoß über unsere Umweltsünden nachzudenken hat die 3F-Bewegung in jedem Fall geliefert. Ob daraus wirklich Veränderungen erwachsen, ist eine zweite Sache und wird sich zeigen.
Ich liege also mit Knochenping nach etwas körperlicher Arbeit und schlechtem Gewissen in meiner Edellake.
Es tut einfach gut. Und meine Theorie dazu:
Wenn es mir gut tut, dann hat minimal auch die ganze Welt etwas davon - so im Schnitt gerechnet.
Ich beruhige kurzerhand mein Gewissen und genieße.
Nun ist ja außer dem unbestreitbaren Klimawandel auch noch ein gefährliches Virus über uns herein gebrochen. Es kommt in 2020 aber wirklich knüppeldick. Und, die neue Katastrophe löst die alte weitgehend ab. Sprich, bei der Dramatik der Corona-Ereignisse und den damit verbundenen, persönlichen Beschränkungen tritt ein schmelzender Gletscher in den Hintergrund.
Andere Gesellschaftsprobleme gewinnen wie durch ein Brennglas betrachtet an Bedeutung.
Durch aufflammende Viren-Hotspots wissen wir plötzlich mehr über: Alters- und Flüchtlingsheime, systemrelevante Berufe, unbelehrbare Großfamilien, Beatmungsplätze auf der Intensivstation, Religionsgemeinschaften, Apré-Ski und Schützenfeier, sowie die industrielle Fleischerzeugung. Da tauchen wie stets bei aktuellen 'Brennpunkten' bisher verborgene Spezialisten aus dem Untergrund auf; seit gegrüßt ihr Virologen*innen der Nation.
Hinzu kommen brisante Informationen aus Ländern mit ignoranter Führung. Das Wegleugnen eines weltumspannenden Virus hat leider nicht geklappt. So sind dort sträflich hohe Infektionszahlen die Folge. Beiher wird noch an Altlasten wie Rodung des Urwalds für Rinderfarmen und Palmölplantagen erinnert. Alles nicht gut für unsere Welt - so im Schnitt gesehen.
Da werd ich ja wohl genüßlich baden dürfen!
Blubb, blubber.
Ich schließe jetzt kurz die Augen, die Brühe wird schnell kalt.